Erzählungen

ISBN 3-421-06053-3

Phönix

Klett Cotta, Stuttgart 1981

Die Erzählungen, die Edwin Ortmann in diesem Band zusammengefasst hat, handeln alle von extremen existentiellen Konfrontationen, in denen die Menschen aufbrechen und an ihre Mitte herankommen. Die Mitte aber ist leer. Die Kraft die von ihr ausgeht, ist eine Kraft, die den Menschen aussetzt, entblößt, ihn stürzen lässt - sie ist eine Kraft, die ihn verwandelt. So steigt Phönix, der Vogel der Phantasie, verjüngt aus der Asche, „...die Asche in den Hülsen fand zur Glut, die Glut fand zum Feuer zurück. Alles vollzog sich in einer Ordnung, fügte sich in in einer Architektur zusammen“. Aus Sturz, Aufstieg und Verwandlung entsteht das Kunstwerk: „ein Bild, das stärker war als ich selbst.“

Kritiken

Phönix (Erzählungen, DVA, 1981)
„Bei Ortmann wird deutlich, mit welch scharfem Verstand, mit welch vollendeter Meisterschaft er über die sprachlichen Möglichkeiten verfügt, die er sich im langen intensiven Kontakt mit der Literatur erarbeitet hat. In seinen Händen wird Sprache zu etwas, das den Prozess der Übertragung von Alltagsbildern auf eine andere Welt, nämlich die der Personen, zum Erlebnis werden lässt, bis diese Personen schließlich verwandelt auftauchen, klar und rein, befreit von den Grausamkeiten des Lebens“
World Literature Today, Oklahoma, Herbst 1982

Phönix (Erzählungen, DVA, 1981)
„Es ist, als habe Edwin Ortmann vor seinem vierzigsten Geburtstag durchaus ein Buch veröffentlichen wollen. Gewiss: eine hämische Spekulation. Doch geben Erstlingswerke dazu immer Anlass. Und die erstaunlichen, verwirrenden, sogar berückenden Erzählungen (...) legen nahe, daß dieser Lebensplan, wenn es denn einer war, ein Recht auf seine Verwirklichung hatte...
...was Ortmann durchgängig beschäftigt: Verletzungen aller Art, körperliche und solche, die mit dem griechischen Wort dafür benannt werden: Trauma. (...) Literatur ist hier nichts anderes als der Versuch, dieses Ungeheure im Menschen mit schönen Worten zu beschwören, und das heißt nicht: mit Worten zu beschönigen. (...) Ortmann hat schöne Worte zur Verfügung und schreckliche Erfahrungen, von denen uns sein Buch im wahrsten Sinne Mit-Teilung macht. Daß er sich beidem hingibt, ist als literarische Leitung direkt etwas Seltenes“
Burkhard M. Mueller, SRG, Studio Zürich, 1982

Phönix (Erzählungen, DVA, 1981)
„Die Unentrinnbarkeit der Figuren aus alptraumhaften Situationen ist kennzeichnend auch für die anderen Erzählungen des Buches. In ‚Wünsche vergittern das Fenster’ ist es eine junge Frau, die auf einer griechischen Insel ein verfallenes Haus kauft und dort unter die sinnliche Macht eines Inselbewohners gerät. Ihr anfänglicher Widerstand endet in willenloser Auslieferung.
Der Vogel Phönix hat in Ortmanns Erzählungen keine Kraft, die Asche von seinen Flügeln zu schlagen.
Fesselnder aber als diese dunklen, Grenzzustände beschreibenden Sujets, ist Ortmanns Sprache, die den Lyriker verrät, und mit der er dichte und präzise Bilder findet...“
Rolf-Dieter Venzlaff, Radio Bremen, 11. 10. 1981

Phönix (Erzählungen, DVA, 1981)
„Die Erzählungen, die Edwin Ortmann in diesem Band zusammengefasst hat, handeln von existentiellen Bedrohungen, die dem Menschen das Äußerste abverlangen, seine fragwürdige Wirklichkeit bloßlegen. Bei diesen Entdeckungsreisen nicht nur in neue Landschaft, sondern auch in ungekannte Traum- und Ichwelt hinein, geschieht Verwandlung - phönixgleich. Einholen kann sich nur, wer sich preisgibt, wer den Verlust wagt, um sich selbst zu gewinnen, wer sich durch die Asche hindurch neu erfindet. Das Thema heißt Niederaufstieg: Widerspruch und Kontrapunkt - es heißt auch Sprachlosigkeit, so erdrückend, daß neue Sprache, Geschichten, Entkrustung notwendig werden“
Zur Lesung in der Buchhandlung Lehmkuhl, 12. 3. 1981

ISBN 3-608-95276-4

Die Wunde kehrt ins Messer zurück

Klett Cotta, Stuttgart 1984

Kein bloßer Zufall, sondern ein folgerichtiger Unfall, dass einer sich die Zunge abbeißt. Und aus seiner Wunde heraus soll er nun reden, erzählen: über Tote, Verschollene, Verstummte. Um nicht selbst ein solcher zu werden. Die Angst zeugt den Hunger, und der wiederum wird zum Motor der Phantasie. Da sitzt einer in der Falle - und begibt sich auf Reisen; da sitzt einer im Käfig und erzählt Gitterstab um Gitterstab fort. Der Erfinder, der sich selber erfindet. Der die Zeit aufzieht, der die Zeiger laufen lässt, vorwärts und rückwärts und immer voran. Der Zeiger seiner Geschichten. Die Geschichten, die Edwin Ortmann erzählt passieren in unserer Welt. Es sind Geschichten von Verwundungen und von der Sprachlosigkeit; schwarze Geschichten, erotische und abenteuerliche, grausame und tödliche; Liebesgeschichten, Reisegeschichten, Lügengeschichten; Geschichten von Krankheit und neuer Gesundheit. Und Verletzungen auf allen Seiten; die Wunde. Die Wunde, der Schmerz, die Verwandlung: in diesem Prozess setzt Edwin Ortmanns Sprache ein - eine kompakte, sezierende bildscharfe Sprache mit bitter- ironischen Tönungen, dazu eine strenge kunstvolle Struktur. Seine Geschichten von der Sprachlosigkeit münden in ein neues Bewusstsein, die Verletzung kann aufgehoben werden, die Wunde ins Messer zurückkehren.

Kritiken

Die Wunde kehrt ins Messer zurück (Klett Cotta, 1984)
„Die Phantasie als erzählerische Macht: Ortmann weist sich durch Phantasie aus...
Sein Erzählen ... diese Geschichten bleiben offen. Dies erhält sie in ihrer latenten Spannung, lässt Überraschungen zu, subtile Überzeugungen durchaus. Ob ‚schwarze’ oder ‚erotische’ Geschichten: es wird gereist, geliebt, gelogen.
Die Sätze kommen oft kurz, auch dies gehört zur Prägnanz der Phantasie...
Es sind die ‚Bilder im Kopf’, die entworfen und dann in Bewegung gesetzt werden. Von dieser Herkunft bleiben die Erzählungen des Autors sämtlich beeinflusst, und es ist ein guter Einfluss, diese Herkunft!“
Karl Krolow, Stuttgarter Zeitung, 2. 10. 1984

Die Wunde kehrt ins Messer zurück (Klett Cotta, 1984)
„Ortmanns Erzählungen sind keine .,leichte" Literatur. Dafür ist seine Sprache zu mächtig, dafür ist seine Thematik zu wenig heiter. (...) Alltägliche Situationen sind es eigentlich, die Ortmann schildert: ein Familienausflug, eine Bahnfahrt, die Erinnerung an die Taschenuhr des Vaters. Nach außen wirken sie normal und unverdächtig, doch im Gang von zwei, drei Sätzen stülpt er sie um, so daß ihre Rückseite, das Schmerzende, Kränkende, Verletzende fühlbar wird. Ereignisse in Erlebnisse übersetzen, aus der Sicht des Betroffenen, das ist Ortmanns Stärke. (...) Für den Leser ist dieser Nachvollzug fast schmerzhaft, denn Ortmanns Sprache ist von einer ungeheuren Intensität.
Nicht daß Ortmann nun (...) ein depressives oder gar larmoyantes Buch geschrieben hätte. (...) Die Fähigkeit, sich mitzuteilen, Erlebtes zu versprachlichen schafft die Möglichkeit, Verletzung wieder aufzuheben, wenn nicht gar gut zu machen. Oder wie Ortmann es sagt: ,,... die Wunde zurück ins Messer zu schicken, die Gitterstäbe in die Wildnis zurück."
A. Bachmair-Tröndle in: Augsburger Allgemeine - Journal, 21. 1. 1985

Die Wunde kehrt ins Messer zurück (Klett Cotta, 1984)
„Da erfindet sich jemand seinen Vater - seine eigene Geschichte; da stirbt einer an Gefräßigkeit, und sein Haupt fährt gen Himmel; da geht einer fremd in halluzinierter Welt; da will ein Krüppel fliegen; da wünscht sich eine ganz in der Liebe - verbrannt, zerstört und doch ganz...
Es sind schwarze Erzählungen, erotisch und abenteuerlich, grausam und tödlich: Geschichten von Verwundungen, von Defekten, von Sprachlosigkeiten, geschrieben in einer bildscharfen, kunstvollen, sinnlichen Sprache.
Der zweite Erzählband von Edwin Ortmann ist Aufbruch von Anfang an: eine neue Welt wird entdeckt und erzählt“
Klett Cotta: Literarisches Programm

Die Wunde kehrt ins Messer zurück (Klett Cotta, 1984)
„Ortmann entwirft Szenen und Bilder, die mit den suggestivsten Geschmacks- und Geruchssensationen versehen sind. Oft werden die Vorstellungen Fiebernden oder Träumenden zugeschrieben... Es ist die Überlegung eines Schriftstellers, daß das Schöne nur aus dem Schmerz zu gewinnen, daß es nur mit dem Schmerz vorstellbar sei“
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Wunde kehrt ins Messer zurück (Klett Cotta, 1984)
„Es sind rabenschwarze Geschichten, die Ortmann erzählt: faszinierend und vollgepackt mit Erotik und Abenteuer, mit Grausamkeit und Todes-Trauma - und dennoch gibt es keinen Grund zum Pessimismus. Denn diese kaputte Welt bietet Möglichkeiten, sich zu lösen, sich freizumachen für neue Sehweisen: ‚Und neu erfunden gehören Gefieder und Grabstein, damit das Schwarze unterm Fingernagel endlich zu träumen beginnt’“
Friedrich G.Stern in Nürnberger Zeitung, 28. 11. 1984